KERSTIN LANGHOFF- Aktuelles von der Schreibwerkbank... |
Mittwoch, 6. Januar 2010
Einer fiel ins Krokonest oder anders sein und doch dazugehören
klanghoff, 22:34h
Es war eine stürmische Nacht. Der afrikanische Wind fegte über das Sumpfgras und machte selbst vor dem Nest in der Felsritze nicht Halt. Mama Gans wiegte sich aufgeregt von einer Seite zur anderen. Mit den Federn versuchte sie, ihre acht Eier so gut es ging zu bedecken. Doch das Nest kippelte. Und ohne, dass die Gans es merkte, kullerte ein kleines Ei heraus, den flachen Hügel hinunter, bis es- plopp, in einer Kuhle im Sand verschwand.
„Was war das?“ Das Küken im Ei war wachgerüttelt worden. Verträumt schaute es um sich. Alles war dunkel. „Wird Zeit, dass ich hier rauskomme“, dachte es, gähnte und fiel erneut in einen tiefen Schlaf. Der Morgen tat so, als sei nichts gewesen. Im Erdloch wurde es unruhig. „He, was stupst du so, ich will auch gucken!“, hörte das Gänseküken. Was war da los? Mit seinem Schnabel pickte es an die Innenwand bis sich ein kleines Loch bildete. Seine Füße wurschtelten sich hindurch und -schwupps, stand es auf dem Boden. „Tata, hier bin ich!“, rief der kleine Gänserich. Seine Welt bestand zunächst aus einem Kreis erstaunter Gesichter. „Wer bist denn du?“, fragte Mamdi, ein kleines Krokodil, das auch erst vor ein paar Minuten geschlüpft war. „Ich?“, flüsterte der kleine Gänserich verlegen, „Mama nannte mich Buzi, als sie auf mir saß und brütete.“ Die Krokodilmama schaute Buzi verwundert an. In der Nähe raschelte plötzlich das Gebüsch. Mama Krokodil befahl einem Krokodiljungen nach dem anderen in ihr Maul zu klettern. Bei Buzi zögerte sie, doch das kleine Küken sprang wie selbstverständlich hinter seinen Brüdern her. Der kleine Gänserich rümpfte den Schnabel: Fischreste und Algen klemmten zwischen Mamas Zähnen. Er war froh, als er nach einem langen Tauchgang wieder ans Ufer hüpfen konnte. „Das waren Menschen. Wenn die kommen, müsst ihr schnell untertauchen. Sie machen aus uns Taschen und Gürtel, Sachen, die sie tragen, weil sie selber nicht so einen schönen grün- braunen Panzer besitzen“, erklärte Mama Krokodil. „Nein, ich will keine Tasche sein!“, sprudelte es aus Mamdi heraus, „ich find mich toll, so wie ich bin.“ Die anderen Krokodile nickten. Dann schauten alle auf Buzi. „Was hast du da an deiner Seite?“, fragte Mamdi neugierig. „Wieso, was hast du denn da?“ antwortete Buzi schüchtern. „Vorderbeine, zum Kriechen, und du?“ Buzi dachte nach und betrachtete seine Flügel, die noch etwas klebrig an der Seite baumelten. Dann versuchte er sie zu bewegen und wie die anderen Krokodile auf den Boden zu stemmen. „Ich glaube, mir reichen die Hinterfüße zum Laufen und meine Vorderfüße- die sind ganz weich, fühl mal!“ Buzi strich mit seinem Flügel über Mamdis Schnauze. „Ja, stimmt!“, rief Mamdi, „aber ich wette, mit der Hälfte der Beine bist du auch nur halb so schnell wie ich!“ Flugs, düste Mamdi los, so flink, dass es Buzi schummrig vor Augen wurde. Schon war er hinter den Sandhügeln verschwunden. Als Buzi endlich bei seinen Brüdern ankam, hatte die Sonne ein weites Stück zurückgelegt. Das Gänseküken ärgerte sich über seine dünnen Beinchen, die sich beim Laufen kreuz und quer gestellt hatten. Auf den Sandhügeln tummelten sich auch Krokodile anderer Familien. „Was willst du denn hier, du, mit deinem zahnlosen Maul“, empfing ihn ein freches Krokodil. Mamdi kam Buzi zur Hilfe und starrte dem Krokodil wütend in die Augen: „Ich bin Mamdi, und das ist mein kleiner Bruder Buzi. Er spielt mit, klar?!“ „Schon verstanden“, maulte das andere Krokodil und krabbelte zurück zu seiner Mutter. Mamdi zwinkerte Buzi zu und flüsterte: „Als Familie muss man doch zusammenhalten, oder?“ Von da an gehörte Buzi dazu. Jeden Abend achtete Mama Krokodil besonders darauf, dass sich ihre Jungen die Zähne putzten. Außer bei Buzi. Denn der hatte gar keine. So sehr Mamdi in Buzis Maul danach suchte, er konnte keinen einzigen Zahn entdecken. „Na ja, mach’ dir nichts draus. Dann musst du wenigstens keine Zähne putzen!“, flüsterte er und gab Buzi einen kleinen Krokodilklaps. „Autsch, dass er immer so kräftig zuschlagen muss“, ärgerte sich der Gänserich. Doch am Ende des Tages schliefen sie eng aneinandergekuschelt ein. Denn eigentlich war Mamdi der beste Bruder der Welt. Buzi veränderte sich, aber nicht so, wie Mamdi und seine Brüder: Die Zähne blieben aus, er watschelte, seine Brüder krochen, und er war bei weitem nicht so stark und so schnell wie sie. Auch das Untertauchen war für Buzi die reinste Katastrophe. Wenn andere Krokodile mit ihm kämpfen wollten, mussten ihn seine Brüder verteidigen. „Buzi, du bist eben ein ganz Feiner, ein Künstler!“, flüsterte ihm sein Vater häufig zu, wenn er mit seinen Krokodilsöhnen im Sand tobte. Buzi schaute dann vom Rand aus ängstlich zu. Er hasste Erdklumpen im Gefieder. Aber er sprach wie sie, lachte wie sie und hatte die besten Ideen. „Komm, wir verkleiden uns als Menschen!“, schlug Buzi Mamdi vor. Als Haare legten sie sich vertrocknetes Gras auf den Kopf, formten Blätter zu einem Hut und suchten sich Stöcke. Damit schlichen sie sich dicht an ihre Familie heran, die in der Sonne lullte. „Peng, peng, wir sind die Menschenleute und suchen eine fette Beute!“, riefen sie laut. Ihre Brüder sprangen aufgeregt in den Fluss. Mamdi und Buzi hielten sich vor Lachen die Bäuche. Die Krokodileltern warfen den beiden einen strengen Blick zu, nickten aber dann gleich wieder ein. Nach einigen Wochen waren Buzi und Mamdi alt genug, dass Mama Krokodil ihnen Ausflüge auf eigene Tatze erlaubte. Dort passierte das Unglaubliche: Buzi träumte seit einiger Zeit, er könnte fliegen. „Das träumt doch jedes Krokodil“, behauptete Mamdi, als Buzi ihm davon erzählte. Eines nachmittags, als Mamdi sich wieder so lange sonnte, dass seine Haut noch knitteriger wurde, verkündete Buzi: „Jetzt mach ich’s, du wirst schon sehen!“ „Was, was machst du?“ Mamdi gähnte. „Ich springe vom Felsen und fliege in die Luft!“ „Unsinn“, seufzte Mamdi und döste weiter. Doch kurz darauf blinzelte der Krokodiljunge mit einem Auge, dann mit beiden und sprang erschrocken auf. Sein Bruder flog in der Luft. Weit oben im Himmel spreizte er die seltsam geratenen Vorderfüße und fächelte damit. „Unglaublich“, stammelte Mamdi. Buzis Herz hüpfte vor Freude. „Ich habe es gewusst! Ich habe es doch gewusst, ich kann fliiiiiiegen!“ Er flog über das Sumpfgras hinweg in den dicht bewachsenen Wald. Kurz darauf hörte er dort laute Stimmen. Das waren keine Krokodile, das mussten echte Menschen sein. Sie kämpften sich durch das Dickicht mit ihren blinkenden Riesenkrallen und den krachenden Stöcken über der Schulter. Buzi flatterte aufgeregt zurück zum Felsen. Doch wo war Mamdi? Am Ufer entdeckte der Gänserich seine Familie. „Sie kommen, die echten Menschen, sie kommen“, schrie er ihnen zu. Die Krokodile blickten erstaunt nach oben. Mamdi war nicht dabei. „Ich suche Mamdi!“ rief der Gänserich und ohne eine Antwort abzuwarten, flog er über das Sumpfgras hinweg. Rasch tauchte die Krokodilfamilie unter Wasser. „Mamdi, Mamdi, wo bist du?“, schrie Buzi verzweifelt. Er konnte ihn nirgends entdecken. Da waren sie wieder, die Jäger. Schnell versteckte er sich im hohen Gras. „Buzi, bist du’s?“, flüsterte eine zittrige Stimme. Buzi war auf Mamdis Schwanzspitze gelandet. „Da bist du endlich, komm, ich leite dich hier raus!“ „Ich bin so froh, dass du da bist. Als die Jäger kamen, bin ich hier umher geirrt und fand keinen Weg zum Wasser.“ Hinter ihnen raschelte es wieder. „Komm schon!“ rief Buzi. Mamdis Augen folgten seinem kleinen Bruder, der in der Luft plötzlich so schnell war. Kurz darauf trafen sie ihre Familie auf der anderen Uferseite. „Hoch lebe, Buzi, unser Luftakrobat!“, jauchzten die Krokodile und klopften mit ihren Schwänzen auf die Erde. Buzi wurde vor stolz so rot wie sein Schnabel und flatterte glücklich in der Luft. Wie gut man von hier oben sehen konnte! „Keine Menschen weit und breit!“, entwarnte er. Aber wer war das? Ein paar Flügelschläge entfernt rasteten „Krokodile“, die so aussahen wie sein Spiegelbild im Wasser! Die musste er kennen lernen. Neugierig flog er zu ihnen. „Hallo, ich bin Buzi. Seid ihr auch vor den Krokodiljägern geflüchtet?“ „Krokodiljäger? Wir haben eher Angst vor den Krokodilen selbst“, schnatterte eine Gänsedame. Buzi runzelte nachdenklich die Stirn. Plötzlich schwirrten die Gänse in die Luft. „Warum fliegen die auf einmal weg?“, wollte er von Papa wissen, der neben ihn gekrochen war. „Nun“, sagte sein Krokodilpapa zögernd, „ das sind Gänse. Sie haben Angst vor mir. Weißt du, wir haben dich immer als unser Nesthäkchen betrachtet, und werden es auch immer tun. Wir lieben dich. Als du uns vorhin gerettet hast, war ich so stolz auf dich, wie es nur ein Vater auf sein Kind sein kann. Aber nun sollst du erfahren, dass du ein kleiner Gänserich bist, der mit uns Krokodilen lebt. Wir wissen nicht, wie du damals in unser Nest gekommen bist. Aber eines wissen wir, dein Herz pocht dort, wo auch unseres schlägt!“ Buzi war verwirrt. Er, kein Krokodil? Aber er fühlte sich doch wie eines. Jetzt wollte er nur noch weg und ganz allein sein. Er flog in die Luft, weiter, immer weiter und Papa Krokodil schaute ihm traurig nach. Als die Sonne schon fast den Horizont erreichte, ließ er sich erschöpft auf einem Felsen nieder. Tränen kullerten an seinen Federn herab. Kurze Zeit später hörte er ein leises Schnattern. Da waren sie wieder, die Nilgänse. Eine ältere Gänsedame legte ihren Flügel auf seinen Rücken. Buzi blickte auf. „Ich habe eben erfahren, dass ich auch eine Gans wie ihr sein soll, dabei habe ich immer gedacht, ich bin ein Krokodil wie meine Brüder.“, schluchzte er. „Haben sie dich denn weggeschickt?“, fragte die Gänsedame mitfühlend. „Nein, aber jetzt gehöre ich doch bestimmt nicht mehr zu ihnen!“ „Weißt du“, dann räusperte sich die Gans, „ es ist wahr, du bist ein Gänserich, aber wichtig ist doch, wer dich liebt, und wo du dich zuhause fühlst. Unser Herz sieht oft viel mehr als unsere Augen.“ Buzi grübelte: „Das hatte Papa doch auch gesagt: Dein Herz pocht da, wo unseres schlägt!“ Buzi wischte mit seinem Flügel die Tränen weg. Dann lächelte er die Gänsedame an. „Wenn das Herz so wichtig ist, dann gehöre ich ja doch zu ihnen, zu Mama, Papa, Mamdi und den anderen.“ Buzi schwang sich in die Luft. Dann drehte er seinen Kopf zu der Gänsedame und rief: „ Komm mich doch mal besuchen. Und keine Angst, meine Krokodilfamilie tut Gänsen nichts. Schließlich gehöre ich ja zu ihnen!“ Die Nilgans blickte ihm lange nach. Irgendwie sah er ihr erstaunlich ähnlich. Er hatte den gleichen braunen Fleck am Bauch. Ob er aus dem achten Ei gekommen war, das sie damals in der stürmischen Nacht verloren hatte? Sie würde ihn besuchen, Krokodile hin oder her. Wer so ein nettes Kerlchen aufgezogen hatte, musste das Herz am rechten Fleck haben. © Kerstin Langhoff ... link Sonntag, 3. September 2006
Der kleine Ritter Tom und Nosi, der Peperonidrache
klanghoff, 12:10h
Der kleine Ritter Tom und Nosi, der Peperonidrache
Tom sitzt in seinem Versteck im Turm. Für den kleinen Ritter ist das der wichtigste Ort für schwierige Lebensfragen. Er hat heute schon den ganzen Tag nichts gegessen. Bei dem Gedanken an die bevorstehende Drachenjagd scheint sich sein Magen einmal um zu drehen. „Ich will da einfach nicht mit. Basta. Außerdem soll Papa mich nicht immer Ritter Mutlos nennen.“ Ärgerlich schabt Tom mit einem Stock den Dreck aus einer Mauerritze. Sein Vater hat ihm den Spitznamen „Ritter Mutlos“ gegeben, weil er Angst vor Drachen, Dunkelheit und bösen Rittern hat. Na und...? Tom findet seinen Spitznamen genauso blöd wie auf eine Drachenjagd zu gehen. Viel lieber würde er "Ritter Siegessicher" heißen, so wie sein Vater. Den Namen hat sein Vater übrigens vom König bekommen- höchstpersönlich. In Wirklichkeit heißt sein Vater Wilhelm. Tom ist noch ein Page. Man kann nämlich erst mit 21 Jahren Ritter werden und leider nur, wenn man sehr tapfer ist. Als Page bedient er den König. Das klingt sehr spannend. Ist es aber nicht, findet Tom. Da gibt es keine wirklichen Abenteuer, immer nur dem Burgherren Essen bringen, Essen wegräumen, Essen bringen, Essen wegräumen usw. "Ich werde Papa schon zeigen, dass ich mutig bin, nur eben nicht bei fiesen Drachen und schon gar nicht nachts." Mittlerweile ist die Ritze in der Mauer zu einem Loch geworden. Mit der Dunkelheit nähert sich die Drachenjagd, wie ein Termin beim Zahnarzt. Ritter jagen nachts, weil da die Drachen aus ihren geheimen Höhlen kriechen, um zu fressen. Dafür fliegen sie zu den Feldern der Bauern und verspeisen: Mais, Salat, Tomaten, Äpfel, Birnen und vor allem Peperoni. Peperoni sind für Drachen so lecker wie für Tom Schokolade, und außerdem ölen Drachen damit ihren Feuerrachen. Doch besonders die Bauern sind deswegen auf die Flugdiebe sehr sauer. Dann ist es soweit. Tom stiefelt hinter Ritter Siegessicher aus dem Burgtor. „Ich muss Papa dicht auf den Fersen bleiben, dann passiert mir nichts“, leiert Tom leise vor sich her. Aber Ritter Siegessicher macht riesige Schritte. Immer wieder dreht er sich zu Tom um und macht: „Pssssst!“ Aber wie soll Tom denn leise sein, wenn die schwere Eisenrüstung bei jedem Schritt scheppert, als würden sämtliche Töpfe aus dem Küchenregal purzeln? Plötzlich flüstert sein Vater: „Ritter Mutlos, du bleibst hier, und ich knöpfe mir den Drachen vor!“ Toms Herz pocht so laut, dass er Angst hat, der Drache könnte es hören. Er stolpert hinter den nächsten Felsvorsprung. Sein Papa schleicht sich an das Riesentier heran. Doch da dreht sich der Drache um. Er bäumt sich auf, schreit schrill und schwingt dabei seine Flügel. Eine unglaubliche Feuerfontäne bricht aus seinem Maul hervor. Tom bleibt die Zunge im Hals stecken. Er schließt die Augen. Kurz darauf hört er mächtige Flügelschläge. Sie entfernen sich. Mucksmäuschenstille! Papa, wo bist du? Ängstlich schaut sich Tom um, aber durch den Helm sieht er kaum etwas. Mühsam befreit sich Tom von dem dicken Eisen um seinen Körper. Jetzt fühlt er sich wie eine Schildkröte ohne Panzer. Weit und breit keine Spur von seinem Vater. Da, da hat sich doch was bewegt. Toms Blick klebt an der Brombeerhecke. Drachenaugen blitzen durch die Blätter, oder waren es nur die Glühwürmchen? Dann quetscht sich etwas durch das Gebüsch und plustert sich vor Tom auf. Jetzt muss Tom schmunzeln. „Wer bist denn du?“, fragt er. „Ich? Pah, das siehst Du doch, bestimmt nicht so ein zwackeliger Zweibeiner wie du! Ich heiße Nosi.“ Nosi versucht die Zähne zu fletschen. Aber es hört sich eher so an, als würde er Spaghetti schlürfen. „Hm, ich heiße Tom, und ich suche meinen Vater. Hast du ihn zufällig gesehen, er sieht aus wie der gefürchteteste Ritter überhaupt.“ „Nö, aber ich suche auch meinen Papa, und ich glaube, dein rosteliger Papa und mein Papa kämpfen gerade miteinander.“ Beide schweigen betrübt. Tom versucht sich und Nosi zu beruhigen: „Ach, denen ist bestimmt nichts passiert. Du kannst uns ja hier bei dem Holzhaufen ein Feuer machen. Dann warten wir gemeinsam, bis unsere Papas wiederkommen.“ „Aber das ist es doch, ich kann gar kein knisterliges Feuer spucken. Deswegen ist mein Papa doch so enttäuscht.“, jammert Nosi. „Weißt du, ich hab’ mal gehört, dass Drachen am besten Feuer spucken, wenn sie ganz zornig sind!“ Kurz darauf sagt Tom: „Wie findest du es denn, dass unsere Väter gegeneinander kämpfen, obwohl ihr und wir doch ganz nett sind.“ Nosi grübelt. Er holt tief Luft und- wuschschsch, ein großer Feuerguss trifft auf den Holzscheit. „Dopeldupeldoof, finde ich das!“, keucht Nosi, als hätte er gerade einen Heißluftballon zum Fliegen gebracht. Erst dann bemerkt er das Feuer. „Du hast es geschafft!“ Tom ist außer sich vor Freude. Nosi kann sein Glück gar nicht fassen. Erst als Tom ihm eine rote Peperoni hinhält, strahlt er bis zu seinen Ohrenspitzen. Stolz setzt er sich zu Tom an das Lagerfeuer. „Die Peperoni schmeckt feurig gut!“ nuschelt er schmatzend. Beide rücken eng aneinander. Sie hören leise Flügelschläge, die schnell lauter werden. „Papa!“ Nosi springt auf. Der große Drache lässt sich am Feuer nieder. „Nanu Nosi, was sehe ich da, du hast einen Menschenjungen gefangen?“ „Nein, nein Papa, Tom ist doch mein menscheliger Freund!“ „Waaaaas?“ Empört reißt der große Drache seine Flügel auseinander und streckt seine Brust heraus. In dem Moment kommt Ritter Siegessicher aus dem Wald hervor und richtet sein Schwert auf die Brust des Drachens, genau da, wo dessen Herz schlägt. Tom schreit auf: „Papa, niiiiiicht! Papa, Du darfst Nosis Vater nicht töten, Nosi ist doch mein Freund!“ Ritter Siegessicher lässt sein Schwert sinken. Zornig und verwirrt zugleich keucht er: „Ritter Mutlos, was soll denn das?“ Doch Tom erklärt hastig: „Weißt Du, ich habe Nosi sogar das Feuerspucken beigebracht!“ Als der große Drache das hört, hopst und lacht er plötzlich um seinen Sohn herum. „Nosi, du kannst Feuer spucken, wirklich?“ Er scheint außer Rand und Band. Die beiden Ritter schauen sich verdutzt an. Noch nie haben sie einen so großen und noch dazu so ulkigen Drachen gesehen. Papa Wilhelm beugt sich zu seinem Sohn und flüstert ihm ins Ohr: „Du bist der erste Ritter, der es geschafft hat, sich mit einem Drachen zu befreunden und ihn dann auch noch zum Tanzen zu bringen. Ich glaube, ich sollte Dir mal einen anderen Spitznamen geben. Wie wär's mit Ritter Drachenherz?“ Tom schmunzelt und nickte. Dann stapft Papa Wilhelm auf Papa Drache zu. Er scheint mit ihm reden zu wollen. Tom wird unruhig, was hat sein Vater vor? Der große Drache wendet sich dem Ritter in dem witzigen Konservendosenkostüm zu und wird wieder ernst. „Ja, ich höre?“ „Nun“, sagt Wilhelm zögernd, „ also, ich habe mir gedacht, dass unsere Söhne recht haben. Wir sollten, natürlich nur, wenn es keine Umstände macht, sehr verehrter Herr Drache, ähm, uns lieber gegenseitig helfen, anstatt zu jagen. Ihr Drachen helft uns die Burg mit Feuer und Wärme zu versorgen, steht ab und zu als Flugtaxi bereit und hört auf, unsere Ländereien abzufackeln, und wir, hm,...“. „Und IHR...?“, faucht der große Drache. „Ja, ähm, und wir geben Euch einen großen Landstrich auf dem wir für Euch Obst, Gemüse, Getreide und so viel Peperoni anbauen, wie ihr wollt!“ Nosi lauscht und seine Ohren flattern vor Aufregung: „Gelbe, rote, grüne, orange, für schmackelige Peperoni mache ich fast alles!“ Auch Papa Drache ist von dem Vorschlag des Ritters begeistert, versucht es aber nicht zu zeigen: „Hm, ja,..." der große Drache räuspert sich laut, "also gut, aber nur, wenn ihr auch einhaltet, was ihr versprecht!“ Als Tom das hört, steigt ihm das Glück bis in die Haarspitzen. Er hat einen Drachen als Freund und sein Vater hat nichts dagegen. Im Gegenteil, Wilhelm ist sich sicher, dass er den König mit seiner Abmachung hoch erfreut. Denn dieser klagt Tag aus Tag ein über seine kalten Füße, die eisige Dusche und die verbrannten Felder. Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch den Morgennebel. Tom zieht sich an Nosis Schuppenmähne hoch, um auf dessen Rücken zu kommen. Papa Wilhelm kraxelt ebenfalls auf den Rücken des großen Drachen. Beide Drachen gleiten der Sonne entgegen, hin zu der Ritterburg, auf deren Zinnen ein Bläser den Morgen einläutet. „Wo sind eigentlich eure Höhlen?“, fragt Tom Nosi. „Das bleibt ein nosiliges Geheimnis, aber vielleicht werde ich sie dir bald einmal zeigen.“ Beide merken, das ist erst der Anfang einer spannenden Freundschaft. Tom hält seine Nase in den Wind. Gibt es etwas Schöneres, als so der Sonne entgegen zu fliegen? © Kerstin Langhoff ... link |
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